Mut gesucht, Verzweiflung gefunden

Von Bianka Müller

Im drittletzten Hinrundenauftritt dürften sich die Regionalliga-Volleyballer des Burger VC 99 am Sonntag selbst ein großes Rätsel geblieben sein. Die 0:3 (21:25, 19:25, 22:25)- Heimniederlage gegen die SG Rotation Prenzlauer Berg ließ sich entgegen ihrer Deutlichkeit nicht in der Kategorie „sang- und klanglos“einordnen.

Jessyka Postolla vergrub das Gesicht in den Händen. Dann richtete sich die Trainerin auf und deutete mit den Zeigefingern in Richtung Hallendecke: „Etwas höher, bitte.“ Sören Lambrecht schüttelte allerdings nur den Kopf, schritt wieder hinter die Grundlinie und ließ auf den einen Netzroller-Aufschlag zum 10:7 den nächsten folgen. Wieder fiel der Ball wie ein Stein in der Berliner Hälfte herunter und der BVC 99 hatte seine Führung im dritten Satz auf  vier Punkte ausgebaut.

Nun fühlt sich Burgs Außenannahme – Routinier nicht erst seit Sonntag auf dem Grenzpfad zwischen Genie und Wahnsinn sehr wohl. Wer aber Lambrechts zweifaches Kabinettstückchen losgelöst vom Rest des Nachmittags betrachtete, durfte annehmen, dass der feststehende Sieger gerade die letzten Züge des Spiels auskostete. Nicht aber, dass der BVC 99 am Ende nach drei Sätzen den Kürzeren zog.

„Ein 0:3 hört sich erst mal deutlich an und auch die Jungs haben bekannt, dass sie sich ziemlich chancenlos vorka- men“, ordnete Postolla ein. Doch allein die  Spielzeit (1:25 Stunde) bestätigte, dass neben der objektiven auch eine gefühlte Wahrheit bestand. Sie lautete: So klar waren die Burger keineswegs unterlegen. Ja, mitunter hätten sie im letzten Heimspiel des Kalenderjahres 2021 auch gar nicht alle drei Punkte an die Gäste aus der Hauptstadt abtreten müssen. Etwa dann nicht, wenn es der BVC 99 im ersten Satz geschafft hätte, bis in die Endphase auf Augenhöhe zu bleiben. Bis zum 12:12 konnte sich keines der beiden Teams einen Vorsprung erspielen, dann setzte sich Rota- tion nicht zuletzt dank einiger Burger Eigenfehler zum 19:15 ab. Besonders auffällig: „Wir sind im Aufschlag immernoch zu inkonstant, wenn wir zu Hause spielen“, bemängelte Postolla. Zwar arbeiteten sich ihre Schützlinge noch einmal auf 21:22 heran, doch mit dem ersten Satzball machten die Gäste nach einer der längsten Rallyes des Nachmittags die 1:0-Satzführung perfekt.

Die Täve-Schur- Sporthalle forderte so bereits früh wie laut- stark: „Kämpfen und siegen“. Ersteres taten die Burger zwar un-strittigerweise,   dochwie sich am Ende zeigte, sollte

Zweiteres nicht gelingen. „In der Auswertung mussten wir festhalten, dass Rotation uns nie richtig in den Flow kommen ließ, unsere Schwächen stets erkannt und ausgenutzt hat. Dazu hatte der Gegner einen Zuspieler, der die Bälle wirklich gut verteilt hat“, ordnete die Trainerin ein. Doch zunächst erwischte ihr Team im zweiten Abschnitt den besseren Start und behauptete bis zum 10:8 einen knappen Vorsprung. Danach wirkten die Gastgeber aber zunehmend kopflos in ihren Offensivaktionen und boten in der Feldverteidigung und insbesondere der Absicherung hinter dem eigenen Block viel Angriffsfläche. Diesen Umstand in Verbindung mit sich häufenden Unkonzentriertheiten in der Annahme bestraften die Berliner und drehten den Spieß zum eigenen 21:17 um. Postolla reagierte mit der Hereinnahme von Allrounder Brijan Beck, der zunächst auf Außen und im dritten Satz auf der angestammten Zuspieler-Position zum Zug kam. Doch der Effekt verpuffte. „Auch wenn wir den einen oder anderen Ausfall zu beklagen haben, geht es in solchen Momenten darum, von außen einen Impuls zu setzen. In der Vergangenheit wurde unser Mut häufig belohnt“, begründete Postolla. Doch auch in der anschließendenAuszeit fand ihr Team nicht zur Courage zurück und konnte nicht verhindern, dass die Gäste ihren Kontrahenten mit 25:19 noch deutlich überflügelten.

Eigene Führung nicht ins Ziel gebracht

Der dritte Satz verlief nach dem identischen Muster. Vorerst schien es, als könnte der BVC 99 das Ruder herumrei- ßen. Lambrecht, der nachüberstandener Verletzungspause sein Comeback gab, erinnerte die Teamkollegen daran, insbesondere bei Angriffen gegen den Berliner Zweierblock mit „Köpfchen“ zu agieren. Zwei gefühlvolle Heber ins SG-Hinterfeld unterstrichen die Botschaft und zwangen die Gäste beim 7:3 aus Burger Sicht zur frühen Auszeit. Wieder behaupteten die Gastgeber ihren Vorsprung, um beim 16:16 doch abgefangen und anschließend überholt zu werden.„Wir bringen die Sätze zwei und drei nach eigener Führung nicht nach Hause. Von Außenstehenden wurde auch bemängelt, dass unsere Körpersprache nicht besonders positiv war“, brachte es Postolla auf den Punkt. Und tatsächlich war sie am Sonntag nicht die Einzige, die zwischenzeitlich und wie eingangs geschildert nach einem Ausweg in der Verzweiflungspose suchte – ihn aber wie das gesamte Team nichtfinden sollte.

Quelle, Volksstimme geschrieben von Björn Richter